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Experteninterview: Prof. Dr. Schmidt zur Nachhaltigkeit von Getränkeverpackungen

Prof. Dr. Mario Schmidt, Professor für Ökologische Unternehmensführung an der Universität Pforzheim

Die Debatte um nachhaltige Getränkeverpackungen ist komplex und oft polarisiert. Um Licht in diese vielschichtige Thematik zu bringen, haben wir Prof. Dr. Mario Schmidt, einen renommierten Experten für Umweltmanagement und Ökobilanzierung, zu einem Gespräch eingeladen. Als Leiter des Instituts für Industrial Ecology an der Hochschule Pforzheim bringt Prof. Schmidt jahrzehntelange Erfahrung in der Analyse von Verpackungssystemen mit. In diesem Interview teilt er seine fundierten Einsichten zur Rolle der Aluminium-Dose im Kontext der Kreislaufwirtschaft und beleuchtet die Herausforderungen sowie Chancen für eine nachhaltigere Getränkeverpackungsindustrie.

Welche Rolle spielt die Aluminium-Dose als Getränkeverpackung auf dem Verpackungsmarkt aus umweltwissenschaftlicher Sicht?

Aluminium ist ein sehr hochwertiges Material, da es einerseits zu seiner Herstellung viel Energie braucht und andererseits vielseitig eingesetzt werden kann. Es sollte deshalb nicht für kurzlebige Produkte eingesetzt werden, die schnell weg­geschmissen werden. Es sei denn, man hat ein Erfassungssystem eingeführt, dass eine sortenreine Sammlung und ein weitgehendes Recycling ermöglicht.

Die Aluminium-Dose wird von manchen Seiten in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit kritisiert. Was zeigen die wissenschaftlichen Daten diesbezüglich?

Aluminium ist ein interessanter Werkstoff, da er leicht ist. Das hat zum Beispiel beim Transport Vorteile gegenüber Glas. Außerdem eignet er sich besser für das Recycling als beispielsweise Kunststoffe. Allerdings wird Aluminium typischerweise als Einwegverpackung eingesetzt, das ist dann eher ein Nachteil. Diese verschiedenen Faktoren muss man im konkreten Fall gegeneinander abwägen. Das wird in sogenannten Ökobilanzen oder Life Cycle Assessments – kurz: LCA – gemacht. Mit pauschalen Urteilen sollte man hier stets vorsichtig sein.

Sie forschen und lehren in den Bereichen Ressourceneffizienz, Emissionsschutz, Umweltmanagement und Life Cycle Assessments. Aus unserer Perspektive erfüllt die Getränkedose viele Nachhaltigkeitsanforderungen in diesen Sektoren, bspw. in Bezug auf Materialeffizienz, dauerhaften Materialeinsatz oder auch optimale Verpackungs-Produkt-Relation. In welchem Zusammenhang sehen Sie als Wissenschaftler die Getränkedose zu diesen Themenbereichen?

Interessanterweise ist die Getränkedose – unfreiwillig – der Geburtshelfer der Ökobilanz gewesen. In den 70er Jahren hieß das in den USA noch Resource and Energy Profiles und handelte von „beverage cans“. Ich finde, Metalle sind gerade hinsichtlich des Recyclings spannende Werkstoffe. Aber es gibt Unterschiede. Bei den unedlen Metallen, und dazu gehört Aluminium, muss man vermeiden, dass sie mit immer mehr Störstoffen verunreinigt werden, denn viele davon kriegt man auch durch Recycling nicht mehr aus dem Material. Deshalb sind sogenannte Closed-Loop-Systeme gut, also wo z.B. aus der Dose wieder eine Dose wird, mit dem gleichen Werkstoff.

Welche Hebelwirkungen gibt es aus wissenschaftlicher Sicht, um die ökologische Performance des Getränkeverpackungsmarktes noch zu verbessern? Spielt die Getränkedose aus Aluminium eine Rolle für mehr Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in dieser Branche? 

Wir sind in einer Umbruchphase, weil in den nächsten Jahren die Energie komplett auf regenerative Quellen umgestellt wird. Die Energie hat bisher in fast allen Lebenswegabschnitten der Getränkeverpackung die dominierende Rolle bei den Umweltbelastungen gespielt. Das heißt, dass sich die Systeme aus ökologischer Sicht neu sortieren werden. Was die Dose angeht: Woher kommt das Primäraluminium und wie groß ist die Sammel- und Recyclingquote – das werden die wichtigsten Parameter sein.

In der öffentlichen und politischen Debatte zeichnet sich häufig eine polarisierte Diskussion zwischen Einweg- und Mehrweckverpackungen ab, die zu einer emotionalisierten Schwarz-Weiß-Darstellung neigt. Ist eine solche Dichotomisierung der Verpackungssysteme aus wissenschaftlicher Perspektive sinnvoll und legitim? Können Sie die ökologischen Vorzüge und etwaige Nachteile beider Systeme erläutern?

Einwegverpackung ist nicht immer schlecht, Mehrweg nicht immer gut, auch wenn es in vielen Fällen stimmt. Es kommt darauf an. Deshalb sind detaillierte Analysen sinnvoll. Es hängt auch davon ab, welche Umweltbelastungen betrachtet werden. Die Treibhausgasemissionen? Oder der Wasserverbrauch? Oder Mikroplastik? Mehrweg erfordert mehr Transporte, insbesondere wenn es sich um überregionale Produkte handelt. Außerdem müssen die Behältnisse gereinigt werden. Kunststoffe sind sehr leicht, Glas ist sehr schwer. Und Aluminium ist aufwendig in der Herstellung. Aber auch hier muss man genau hinschauen: Es macht einen riesigen Unterschied, ob das Aluminium aus einer europäischen Aluhütte oder aus China kommt. Ich sehe mit Sorge, dass sich unsere Rohstoffabhängigkeit erhöht statt verringert. Das ist auch unter Umweltgesichtspunkten nicht gut. Lieber hätte ich die Metallhütten bei uns hier im Land, auch wenn sie große Energieverbraucher sind.

Diese Debatten spiegeln sich auch in regulatorischen Prozessen wie der Novelle der EU-Verpackungsverordnung oder des deutschen Verpackungsgesetzes wider. Ist es nach aktueller Forschungslage noch zeitgemäß, politische Lenkungs-Entscheidungen entlang der Konfliktlinie Mehrweg gegen Einweg zu treffen? Wie müsste ein regulatorischer Rahmen konkret gestaltet sein, um die Nachhaltigkeit des Getränkeverpackungsmarktes zu erhöhen? 

Ich bin ein Anhänger des Pfandsystems, möglichst simpel. Das Pfand zeigt auch, dass die Verpackung noch einen Wert hat, kein Müll ist, egal ob Einweg oder Mehrweg. Ich wünschte mir, wir würden mehr Pfandsysteme einführen, z.B. für Elektrogeräte. Dann wäre dort die Sammelquote auch höher. Natürlich kann man in Frage stellen, ob man für alles eine spezielle Regelung braucht, oder ob allgemeine Steuerungselemente wie das Pfandsystem nicht insgesamt effizienter und effektiver sind.

Inwiefern tragen Lebenszyklusanalysen von Aluminium-Dosen dazu bei, ihre Umweltauswirkungen zu verstehen und zu minimieren? Welche spezifischen Phasen des Lebenszyklus sind besonders relevant für die Verbesserung ihrer Umweltbilanz?

Ich war schon an den beiden ersten Getränke-Ökobilanz des Umweltbundesamtes beteiligt. In den 90er Jahren. Da hat man viel über die verschiedenen Verpackungssysteme gelernt, weil es eben ein anderer Blick auf die Dosen, Glasflaschen, Kunststoffflaschen oder Getränkekartons war. Was bisher hauptsächlich nur aus Funktionalität, Marketing- oder Kostengründen optimiert wurde, musste nun auch ökologischen Kriterien genügen. Natürlich haben die Interessenvertreter viel gestritten. Das tun sie bis heute so. Geholfen hat es trotzdem viel. Es geht immer um einen möglichst geringen Materialeinsatz, geringen Transportaufwand, eine hohe Nutzungsintensität – und trotzdem muss man damit Kundenwünsche erfüllen. Eine komplexe Aufgabe!

Wie bewerten Sie die Effizienz der aktuellen Recyclingprozesse?

Recycling besteht nicht nur aus dem eigentlichen werkstofflichen Prozess, also z.B. dem Einschmelzen oder Verhütten, sondern aus einer ganzen Kette von Prozessen: von der Sammlung, Konditionierung über das eigentliche Recycling. Eine hohe Recyclingquote von 95 % nützt nicht viel, wenn wir nur 20 % der End-of-Life-Produkte einsammeln. Wir müssen also entlang der ganzen Verwertungskette hohe Quoten anstreben. Für das Recycling muss außerdem die Qualität der eingesammelten Sekundärrohstoffe hoch sein, das erfordert wieder einen zusätzlichen Aufwand beim Getrenntsammeln. Die Endverbraucher brauchen dafür entsprechende Anreize.

 

Über Prof. Dr. Mario Schmidt

Mario Schmidt ist Professor an der Hochschule Pforzheim und leitet dort das Forschungsinstitut für Industrial Ecology. Der Physiker und Umweltwissenschaftler blickt auf 40 Jahre Berufserfahrung im Umweltbereich, war viele Jahre am IFEU-Institut in Heidelberg in leitender Position und auch in der Ministerialadministration. Er gehört in Deutschland zu den Pionieren der Ökobilanzierung, hat entsprechend Software mitentwickelt, zahlreiche Unternehmen beraten und bildet heute jedes Jahr zwei Dutzend Nachwuchsakademiker explizit zu Life Cycle & Sustainability-Experten aus, in einem eigens dafür geschaffenen Masterstudiengang.

 

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Kontakt für weitere Informationen:


E-Mail: presse@forum-getraenkedose.de  

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